Eine rosarote Inszenierung des Büchner Stückes „Woyzeck“
Freude, Entsetzen, Freiräume für Interpretationen, Schockierendes, Entfremdendes, Unterhaltung, Kreatives – Positives und Negatives.
Endlich nach zwei Jahren der Theaterabstinenz fuhren die Schüler*innen der Jahrgangsstufe 13 des Beruflichen Gymnasiums Wittenberge zu einer modernen Inszenierung in das Deutsche Schauspielhaus nach Hamburg. Im altehrwürdigen Gebäude erwartete die zukünftigen Abiturienten des OSZ Wittenberge das Drama von Georg Büchner „Woyzeck“, das auch gleichzeitig Prüfungsthema ist.
Die Aufführung übertraf die Erwartungen der Teilnehmer des Leistungs- und Grundkurses.
Georg Büchners Woyzeck, der aufgrund seines sozialen Standes und der gesellschaftlichen Umstände zum Opfer und Täter gleichzeitig wird, ersticht seine Lebensgefährtin Marie, mit der er ein uneheliches Kind hat. Er dient als Soldat, muss sich Geld hinzuverdienen, damit er das Leben seiner kleinen Familie finanzieren kann. Die Erniedrigungen durch seinen Hauptmann, die Menschenexperimente des Doktors an ihm und nicht zuletzt das Fremdgehen seiner Freundin bringen ihn zu dieser Tat. Die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit der Hauptperson, unter solchen Bedingungen gehandelt zu haben, bleibt auch heute noch ein Thema.
Besonders ist die Theaterinszenierung auf jeden Fall gerade z. B. durch die Gestaltung des Bühnenbildes in rosarot, der Latex-Kostüme, der Handlungsabfolge in sich drehenden Räumen. Überzeugend und zum Nachdenken anregend sind die handelnden Figuren allemal, da sie als gehörnte Personen auftreten. Die gelungenen Schlagzeugsoli, die die jeweilige Variante der Gesamthandlung unterbrechen, ziehen jeden Zuschauer in seinen Bann. Das Szenario in der sich dreimal wiederholenden Szenenfolge variiert: Woyzeck ersticht Marie, Woyzeck bringt sich selbst um und zum Schluss bleibt das Messer auf dem Tisch liegen, denn es kommt keiner zu Tode. Viele kleine Details, die auch Verwirrung stiften, das wachende, beobachtende Auge zwischen den Szenen, das Drehen an der Uhr oder der an der Wand hängende Doktor.
Eine Inszenierung, die Emotionen und Diskussionen hervorruft. Es lohnt sich definitiv wieder ins Theater zu gehen. Es handelt sich gerade bei dieser Inszenierung um eine Aufführung, bei der die rosarote Brille abgesetzt werden muss, denn es gibt so viel zu entdecken, das hinterfragenswert ist.
Kerstin Richter